Als noch vor der Jahrhundertwende von dem Gemeinderatsmitglied Franz Francesconi die Anregung zur Errichtung eines Kraftwerks kam, dürfte diese Idee zuerst einmal in der Gemeindepolitik einige Energie freigesetzt haben. Denn in vier Sitzungen zwischen September 1898 und März 1899 konnte sich das Gemeindegremium zu keiner geschlossenen Vorgehensweise durchringen. So blieb es letztlich den Fortschrittsgläubigeren unter den Gemeindevätern Vorbehalten, ein „Konsortium" zu gründen, das sich des Kraftwerksbaus annahm. Dafür hatte der Gemeinderat allerdings schon im Februar 1899 Josef Steinbacher - der Name steht für sich, Josef Perathoner, Gastwirt und Kaufmann beim „Neuner", Franz Hörhager, einem Einzelhändler, und Georg Ager, dem Egerndorferbauern, eine befürwortende Zustimmung zur Konzessionsbewerbung erteilt und dem neu zu gründenden Unternehmen verschiedene betriebsfördernde Privilegien eingeräumt. Die amtliche Genehmigung durch die einschlägigen Behörden folgte dann am 14. 6. 1899, und „bis November des gleichen Jahres waren Installationsarbeiten so weit gediehen, daß um diese Zeit auf den Straßen und in den Häusern das elektrische Licht eingeschaltet werden konnte". Das für 60 PS erbaute Werk wird zwar 1900 mit Akkumulatoren für Spitzenbelastung und Speicherung des Nachtstroms ausgerüstet, die Leistungsfähigkeit des Werks erweist sich aber zusehends als unzulänglich.
Die Energieversorgung rückt dennoch erst Anfang der 20er Jahre erneut in den Blickpunkt, da aber gleich richtig. Freilich sicherte sich Wörgl zusätzlichen Strom zur Spitzendeckung aus dem 1906 erbauten Kaiserwerk am Hintersteiner See, doch der „Stromzuteilungsturnus" entsprach den Betroffenen offenkundig so wenig, daß die unzufriedene Verbrauchergruppe - bildlich gesprochen - auf Wechselstrom schaltete: Groß- und Kleinkonsumenten vereinigten sich zur E-Werk-Genossenschaft, erbauten eine Holzgasanlage, und ab 1923 können plötzlich zwei Versorgungsunternehmen mit ihren zwei Leitungsnetzen Strom produzieren. Es finden sich sogar Häuser mit zwei Anschlüssen, womit das zu dieser Zeit gängige Wortspiel vom „überspannten" Wörgl mehr als finanzieren zu können, zauderten die Gemeinderäte im Unterschied zu 1898 wesentlich weniger und legten eine Anleihe auf, von der sie gleich 49 Prozent der Gemeinde sicherten. Dieser kostenintensiven Zweigleisigkeit wird vier Jahre danach ein spätes Ende gemacht, indem die Gemeinde das als Steinbacher-Werk bekannte E-Werk I in der Mühltalklamm erwirbt und die Stromversorgung wieder in eine Hand bringt. Den letzten Schritt hin zu einem einzigen E-Werk ausschließlich in Gemeindehänden setzt man schließlich 1928, als die Gemeinde unter Führung von Josef Gollner die noch umlaufenden Genossenschaftsanteile des E-Werks II mit allen daran haftenden Verbindlichkeiten ein- und die Genossenschaft auflöst. Das E-Werk muß aber allzu bald wieder teuren Strom zukaufen, und so bleibt langfristig nur der Ausbau des Kraftwerks Müllnertal, der zu seiner Zeit mit der Hoffnung, „möge durch den Ausbau der Anlagen des Werkes vor allem dem kleinen Manne geholfen werden, so daß die Lichtrechnungen ihm keine Sorge mehr bereiten", verbunden wird. Immerhin können im Versorgungsgebiet, dem auch die Oberau und die Niederau angehören, im Jahre 1949, 50 Jahre also, nachdem es in Wörgl licht geworden war, rund 300 Motoren bis zu 50 PS, 400 Elektroherde, 330 Warmwasserboiler und 16.000 Glühlampen mit Strom versorgt werden, was wohl anschaulicher ist als die 10.000 Kilowattstunden Stromerzeugung im täglichen Durchschnitt; im Jahr sind es übrigens bereits fast 4 Millionen kWh, das 8fache des Wertes von 1925, zu Zeiten der oben geschilderten „doppelten Unterversorgung". Und die Zahl der Stromabnehmer hat sich in den 30 Jahren vom Ende des ersten Weltkriegs bis hin zum 50-Jahr-Jubiläum des ersten E- Werks von 600 auf 1800 verdreifacht, wenngleich auch das E-Werk, insbesondere das Umspannwerk, im zweiten Weltkrieg auch einiges abbekommen hatte. Als am 1. Dezember 1967 das Kraftwerk Kelchsau-Zwiesel feierlich eingeweiht wurde, lagen zwischen Spatenstich von Bürgermeister Hagleitner im Juli 1966, Probebetrieb und offizieller Inbetriebnahme insgesamt nur 13 Monate Bauzeit. Da es sich dabei außerdem um das bis dahin größte Bauvorhaben der Gemeinde handelte, ist es umso erstaunlicher, daß zudem auch der Kostenvoranschlag von 30 Millionen Schilling eingehalten wurde. Eine durchaus bemerkenswerte Tatsache, zumal das neue Kraftwerk es auch noch ermöglichte, das ursprüngliche Verhältnis von selbst erzeugtem und teuer zugekauftem Strom ins Gegenteil zu verkehren. Fiel der Vergleich mit 85% Fremdstrom vorher denkbar schlecht aus, worin sich auch die Notwendigkeit des Neubaus erklärt, so stammten nach Beendigung des Bauprojektes 90% aus der Eigenerzeugung! 1951, zur Zeit der Stadterhebung, mußten zum Vergleich noch beinahe zwei Drittel des benötigten Stroms von der TIWAG zugekauft werden, und 1976 betrug der Anteil des Fremdstroms auch schon wieder 30 Prozent. So läßt sich die Geschichte der Stromerzeugung im wesentlichen auf das ständige Bemühen reduzieren, den Anteil des teureren Fremdstroms so niedrig wie möglich zu halten.
Wasserversorgung und Abwasserentsorgung
Da zur Zeit der Stadterhebung die Stadtwerke Wörgl auch noch aus dem Wasserwerk bestehen, wollen wir noch einmal im Zeitablauf zurückwandern. 1929 war es nämlich, als im Zuge der Koordination der Energieversorgung durch die Gemeinde auch die Wasserleitung angegliedert wurde und somit das „Elektrizitäts- und Wasserwerk der Marktgemeinde Wörgl" aus der Taufe gehoben wurde. Ins Jahr vorher fiel schon die Fassung der Quelle in der Oberau durch die Gemeinde Wörgl, nachdem die erste Hochdruck-Quellwasserleitung mit einem 250-m3-Behälter für Wasser aus den Sonnberg-Quellen um die Jahrhundertwende entstanden war, demneben den jeweils späten 20er und 40er Jahren-ersten von drei Entwicklungsschüben im Energiebereich bis hin zur Stadterhebung. Davor lag die Erschließung des Nutzwassers ausnahmslos in den Händen der einzelnen Grundbesitzer, die sich der Hilfe eines Brunnenmachers bedienten. In Wörgl und Umgebung war dies der Larchbauer Andreas Felderer, von dessem außergewöhnlichen Gespür für Wasser in späteren Jahren auch durchaus noch Betriebe Gebrauch machten, so auch die Wasserwerke. Die Abwasserentsorgung hingegen war lange ein vernachlässigtes und wenig koordiniertes Unterfangen. Schließlich wurde zwar noch vor dem Ersten Weltkrieg mit dem Bau einer vernünftigen Kanalisation begonnen, aber vielleicht ließ sich die widerwillige Gemeinde hier so bitten und betteln, weil, wie der Grenzbote 1933 zu berichten weiß, Elektrizitätswerk und die Wasserleitung ihren Anteil zur Gänze verzinsen und amortisieren würden, wobei letztere sogar einen kleinen Gewinn erbringe, die Kanalisierung sich aber nur zu einem Drittel der Kapitalsanlage decke. Auch die Anrainer entlang des Inns hielten an dem Grundsatz „alles fließt" fest, als jeder für sich das Grundwasser wieder in kleinen Kanälen dem Inn zuführte, bis - wieder in den 20er Jahren - eine „Entwässerungsgenossenschaft" gegründet wurde und zumindest nicht mehr jeder sein eigenes Süpplein kochen mußte. Der wesentliche Einschnitt findet aber hier 1949 statt, als der Ort zwei große Pumpwerke, und zwar in Söcking und am Gießenbach, erhält, die notwendig geworden sind, nachdem es Anfang der 40er Jahre nach dem Bau des Innkraftwerkes, unterhalb von Wörgl, immer wieder zu Hochwasser gekommen war. Hatte die TIWAG dafür mit dem Bau der Pumpwerke die Verantwortung übernommen, obwohl sie sich gerade 1948 auf ein rechtes Unwetterjahr berufen hätte können, so löste die Gräbeninstandhaltung weitere Diskussionen aus. Auf die umfassenden Kanalisationsarbeiten, die 1965 in Angriff genommen wurden, und die Gründung eines Abwasserverbandes Wörgl, Kirchbichl und Umgebung im Jahre 1981 soll noch kurz hingewiesen sein.
Text von Herbert Werlberger aus "Wörgl Ein Heimatbuch" Edition Josef Zangerl.