Die Eröffnung der von Salzburg über Zell am See nach Wörgl führenden Giselabahn
am 6. August 1875 war das wichtigste Ereignis in der Geschichte Wörgls im 19. Jahrhundert!
Damit wurde Wörgl der erste Eisenbahnknoten Westösterreichs und brachte Tirol
die Anbindung an das östliche Österreich.
Die „Eisenbahngeschichte“ begann mit der kaiserlichen Anordnung für den Bau der Strecke
Kufstein-Innsbruck, die im Jahre 1858 als „Nordtyroler-Bahn“ feierlich eröffnet wurde.
Bahnhof Wörgl um 1900
Die geografisch günstige Lage an der Schnittstelle von Inn- und Brixental führte die
verschiedenstenVerkehrswege zusammen und war für die weitere Entwicklung der Stadt von
großer Bedeutung.
Durch den Aufschwung der Wirtschaft veränderte sich die soziale Struktur, aus dem ehemaligen
Bauerndorf wurde allmählich eine Industriegemeinde.
Das kleine Dorf erfuhr eine enorme Bevölkerungszunahme, von 986 Personen im Jahr 1840
auf 3.126 im Jahr 1910!
Eisenbahner, die bei der Bahn beschäftigt waren, empfand die Bevölkerung als Eindringlinge
in ihre bäuerliche Welt. Im Jahr 1875 ließen Zeitungsschreiber kein Klischee aus:
„Dafür bekommen die Gemeinden Bahnbedienstete und Bahnwächter, vielfach Leute ohne
Religion und Sittlichkeit, letztere fast dem Hungertod preisgegeben“.
Arbeiter beim Gleisbau
Der Bau der 192 km langen Giselabahn, benannt nach der Tochter von Kaiser Franz Joseph I.
und seiner Gattin Elisabeth, bekannt als Sisi, wurde in unglaublich kurzer Zeit realisiert:
Baubeginn im Frühjahr 1873, 2 ½ Jahre später die Eröffnung. Hindernisse wie das enge
Salzachtal, hohe Brücken in Fieberbrunn und die Windauer Schleife mit Tunnelanlagen
wurden durch Ingenieurkunstund einer großen Zahl an Arbeitern, viele davon aus Italien,
überwunden.
Der Bau erwies sich insbesondere zwischen Hopfgarten und Westendorf als schwieriges
Unterfangen. Im Juli 1874 kamen zwölf Arbeiter und ein Ingenieur beim Einsturz des
Ittertunnels ums Leben!
Der ursprüngliche Plan einer Streckenführung über Lofer, St. Johann und Söll wurde
wahrscheinlich aus strategischen Gründen nicht verwirklicht, aber auch der schon damals
hohe Stellenwert desFremdenverkehrs könnte die Ursache für die Streckenwahl
gewesen sein.
Die erforderlichen Grundablösen im Wörgler Boden für die Giselabahn gestalteten sich
wegen der unterschiedlichen Grundbesitzer kompliziert, aber auch hier galt letztendlich:
gegen den Willen des Kaisers ist kein Kraut gewachsen.
Die eingleisige Trassenführung wurde in den Jahren 1913-1915 auf einen zweigleisigen
Betriebumgebaut und 1928 der elektrische Zugbetrieb aufgenommen.
Anfangs gab es einmal pro Tag eine Hin- und Rückfahrt zwischen Wörgl und Salzburg,
die Fahrzeit betrug 8 ½ Stunden, jetzt schafft der schnellste Zug die Strecke in 3 Stunden.
Verlegung des 2. Gleises
Die letzte Fahrt von Kaiserin Elisabeth führte auch über die Giselabahn. Der Leichnam der in
Genf ermordeten Kaiserin wurde mit einem Sonderzug nach Wien gebracht.
Die unzulängliche Lokomotivtechnik verhinderte, die Strecke mit einer Lokomotive in einem Zug
durchzufahren. In Saalfelden, vor dem Grießenpass (975m ü.A.), wurden Maschine und
Personal gewechselt. Die Züge, noch nicht durchgehend gebremst, schafften zahlreiche
Arbeitsplätze.
Für jeden Zug, abhängig von Achsenanzahl und Gewicht wurde die Anzahl der Bremser errechnet.
Ein bestimmtes Pfeifsignal des Lokführers informierte die Bremser, die Handbremsen der
Waggons zu bedienen.
Die im Jahr 1889 in Betrieb genommene Bahnstation Söll-Leukenthal (Bruckhäusl) wies zu
Beginn des 20. Jahrhunderts einen größeren Frachtumschlag als der Bahnhof Wörgl auf und
war mit Vorstand, Fahrdienstleitern und Weichenwärtern besetzt. Die Gründe dafür waren die
dort angesiedelte Zementindustrie, zwei bedeutende Sägewerke und eine Sand-Ziegelfabrik.
Im Laufe der Zeit verlor diese Bahnstation jedoch an Bedeutung und wird heute als Haltestelle
„Wörgl Süd-Bruckhäusl“ ohne Personal geführt.
Die Giselabahn stellt nach wie vor eine wichtige innerösterreichische Querverbindung zwischen
Innsbruck und Graz, aber auch als Zubringer zur Tauernbahn Richtung Süden dar.
Auf Grund ihrer landschaftlichen Reize und ihrer einmaligen Trassenführung wurde sie in den
vergangenen Jahren wieder als Ausflugsziel entdeckt.
Bahnhof Wörgl 1965
4041 01 in Wörgl 1968
1145 06 in Wörgl 1968
Quellen:
Von Ost nach West durch Tirol, Jursitzka/Pawelka
150 Jahre Eisenbahnen in Tirol, Arge Verkehrsarchiv Tirol
Bilder: Stadtarchiv, Dr. Pohl
Wörgl August 2025